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Alpen Flora

Bergblumen

05.08.2015

Türkenbundlilie

In den Bergen, hoch über dem Waldrand, blüht die Türkenbund-Lilie inmitten der, vom klaren Sonnenlicht verwöhnten, Bergwiesen. Im Gegensatz zu den Exemplaren im Unterland, wachsen hier oft mehrere Blüten an dem einen kräftigen Stengeln. Auf meinen Wanderungen bin ich einmal einem Exemplar mit fast zwanzig Blüten begegnet. Wie ein umgekehrter Kronleuchter sah das aus.

Tagsüber herrscht um sie herum ein geschäftiges Treiben. Der hohe Ton der Schwebefliegen vermischt sich mit dem tiefen Brummen der Hummel, dazwischen lautlos gaukelnde Schmetterlinge. Ein Kommen und Gehen, von einer Bergblumenblüte zur nächsten. Die Türkenbund-Lilie steht hingegen einsam, in würdevoller Ruhe, zwischen all dem Gesumme. Sie ist wählerisch, hält nichts von fremden Pollen an ihren Blütennarben. Trotzdem sind die Blütenhüllblätter weit offen, verströmen jedoch keinen Lockduft. Somit sind sie für die Insekten unsichtbar. Erst wenn das bunte und artenreiche Völkchen der Bergblumen in der Abenddämmerung ihre Kelche schliesst, erwacht sie aus ihren Tagträumen. Mit ihrem schweren, süsslichduftenden Parfüm lockt sie den Schwärmer, eine Schmetterlingsart mit dem Verhalten eines Kolibris, unwiderstehlich an.
Goldgelb ist die Farbe der Pflanzenzwiebeln, was der Lilie im Volksmund auch den Name "Goldwurz" eingebracht hat. Die Alchimisten nutzten die Wurzeln in der Hoffnung, mit ihrer Kraft unedles Metall in Gold umzuwandeln.

Hauswurz

Am wohlsten fühlt sie sich an felsig-trockenen, sonnig heissen Standorten. Im Innern der Rosetten wurden Temperaturen bis gegen fünfzig Grad gemessen. Um nicht zu verdursten, speichert sie das Wasser in ihren fleischigen Blättern. Doch auch in tiefster, mehr monatiger Dunkelheit treibt sie noch immer aus. Alle paar Jahre wächst aus dem Rosettenpolster, zwischen Mai und August, ein kräftiger Stengel, gekrönt mit einer oder mehreren leuchtend meist roten Sterndolden.

Ihr urzeitliches Aussehen hat die Fantasie und Neugier der Menschen schon seit jeher fasziniert. So verfügte Karl der Grosse in seiner berühmten Landverordnung, welche die Verwaltung, Bestellung und Bewirtschaftung seiner grossen Landgüter regelte, dass auf jedem Dach die Hauswurz, als natürlicher Blitzableiter anzupflanzen sei. Daher auch der Volksnamen: "Donnerkraut". Die moderne Naturwissenschaft ist diesem Aberglauben nachgegangen. Jedes Blatt der Hauswurz ist ein sehr guter Stromleiter. Zudem endet es in einer feinen Spitze. Das begünstigt den elektrischen Spannungsausgleich zwischen dem Haus und der Luft. Damit wird wiederum der Aufbau eines extremen Spannungsgefälles, das zu einem Blitzschlag führen kann, vermindert. Ein paar hundert Hauswurz auf dem Hausdach wirken also durchaus als natürliche Blitzableiter. Ob die Hausversicherung diesen Schutz anerkennen würde, ist jedoch eine andere Sache.

In der Heilkunde wird der frisch gepresste Saft der Blätter als kühlender und zusammenziehender Saft bei Wunden, Entzündungen und Geschwüren mit Erfolg angewendet.

Paradieslilie

Zum ersten Mal entdeckte ich diese, in meinen nördlichen Heimatbergen eher selten vorkommenden Blume im Bergell, in dem lichten Jahrhundertalten Lärchenwald oberhalb von Vicosoprano. Die vielen Lilien die dort blühten erschienen mir wie kleine, reigentanzende Waldelfchen inmitten dem dunkelgrünen Gras. Beschattet von den mächtigen, weit ausladenden Lärchenästen wiegten sie sich zum warmen Wind, der von unten herauf durch den Wald strich. Die reine Farbe, zusammen mit der anmutigen, eleganten Trichterform verleiht den Blüten etwas schwebendes, engelhaftes oder eben elfenhaftes.

Wenn die Paradieslilien im Juni zu blühen beginnen dauert es nicht mehr lange bis die Sommerflora die Bergwiesen in einen bunten, fröhlichen Farbenteppich verwandelt. Besonders schön blühen diese Hochsommer-Vorboten auch ganz hinten im Lötschental, in der Umgebung der Fafleralp. Dort gibt es Bergweiden und Hangwiesen übersät mit Hunderten von ihnen.

Und wenn man schon so dort oben ist, lohnt sich auch der Abstecher ins Hotel Fafleralp. Am besten man übernachtet dort, geniesst das Essen, das gemütliche Ambiente und die herzliche Gastfreundschaft. Wer am nächsten Tag früh aus den Federn steigt, wird dann auch Zeuge wie diese Lilien, in den ersten noch tief einfallenden Sonnenstrahlen aufleuchten und den Wiesen und Hängen einen Hauch von Paradies verleihen.

Alpweide mit weissem Hahnenfuss

Vielleicht wächst eine Hahnenfussgattung auch auf einem Planeten ausserhalb unseres Sonnensystems. Auf unserer Erdkugel ist er mit über 600 Arten – ausgenommen der Antarktis und den tieferen Tropenlagen – überall anzutreffen. Er fühlt sich im Gewässer als flutende Wasserpflanze ebenso zu Hause wie in den hochalpinen Höhenstufen. Ob trockener oder feuchter Boden, ist ihm einerlei. Der Gletscherhahnenfuss wurde sogar am Finsteraarhorn auf einer Höhe von 4'200 Meter über Meer vorgefunden. Dort oben hat er das Überleben perfektionieret. In ungünstigen Sommern kann er die Nahrungsstoffe aus seinen Blättern in die Wurzeln zurück fliesen lassen und bereits gebildete Knospen wieder abbauen.

Das Foto zeigt eine Alpweide bei der Wengernalp im späten Frühjahr. Das Erdreich ist noch feucht von der Schneeschmelze. Somit der ideale Nährboden für den Weissen Hahnenfuss. Wolken filtern das Sonnenlicht. Die Farben leuchten nicht so "glarig" wie unter dem blauen Himmel. Stattdessen greifen sie harmonisch und weich ineinander. In den Dolden der mächtige Wettertanne bin ich als Bub hochgestiegen. Schon damals war es ein stattlicher Baum und ich hatte, oben angekommen, ein wenig ein flaues Gefühl im Magen. Im Hintergrund liegt der Lawinenschnee der "Chüeloui" vom vergangenen Winter.

Gletscherweide

Bei Zeiten bin ich im Tal unten aufgebrochen hoffend, der Föhn möge sich gegen die von Norden ankommende Schlechtwetterfront behaupten. Eine halbe Wegstunde oberhalb dem Hotel Obersteinberg bläst er mir vom Petersgrat herunter, in kräftigen Windstössen entgegen. Dennoch zweifle ich an seiner Durchsetzungskraft: «Umkehren oder weitersteigen?» Mein Blick folgt dem Weg nach oben und bleibt an einem leuchtenden Flecken hängen. Mein Entdeckungsgeist ist geweckt. Die Frage vom Umkehren hat sich fürs Erste erledigt. Beim näherkommen sehe ich, dass hier eine Weide in voller Blüte steht. Ob es wohl eine Schweizer Weide ist? Eigentlich müsste das ja so sein, bin ich doch im Herzen der Schweiz. Doch die Pflanzen folgen zuweilen einer anderen Logik. Auf jeden Fall erfreuen mich die leuchtenden Weidenkätzchen wie sie sich da neugierig, von einem inneren Licht beseelt, über den kalkigen Steinblock heraus lehnen.

Die Weide ist eine der ersten Pionierpflanzen im Hochgebirge. Tief duckt sie sich unter dem hohen Schnee, schmiegt sich eng an den Boden um sich vor der winterlichen Kälte und dem rauen, trockenen, sommerlichen Bergwind zu schützen. Mit ihrem weit ausgestreckten Wurzelnetz stabilisiert sie den Steinschutt. Humus sammelt sich zwischen den Wurzelsträngen an und bereitet den Nährboden für weitere Pionierpflanzen. Mit den Jahren überzieht ein Polster aus Gras und Blumen den Schutt zwischen den Wurzelästen. Viele Jahre später dann, irgendwann, versinkt das Astwerk der Weide im Grün und stirbt ab. Doch weiter oben, näher den Gletschern, wächst aus ihrem Samen schon die nächste lebensspendende Weide.


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